Neurologische Therapie

Neurologie

1. Erkrankungen des zentralen Nervensystems

Zustand nach Schlaganfall

Bei einem Schlaganfall (Apoplex/Insult) kommt es durch eine Blutung oder den teilweise oder kompletten Verschluss eines oder mehrerer Gefäße im Gehirn zu einem Absterben von Zellen (Nekrose). Diese Bereiche haben wenig bis gar keine Funktion mehr und sorgen je nach Schweregrad und Region der Schädigung zu erheblichen Einschränkungen des Betroffenen.
„Dies führt zu einem Funktionsverlust und schließlich zum Absterben von Hirngewebe. Bedingt durch die große Anzahl möglicherweise betroffener Hirn­areale gibt es eine Vielzahl klinischer Erscheinungsformen.“ (Easton et al. 2009)
https://www.dgn.org/leitlinien/2310-ll-22-2012-akuttherapie-des-ischaemischen-schlaganfalls#definitionundklassifikation Stand 17.03.2020, 08:33Easton JD, Saver JL, Albers GW et al.; American Heart Association, American Stroke Association Stroke Council, Council on Cardiovascular Surgery and Anesthesia, Council on Cardiovascular Radiology and Intervention, Council on Cardiovascular Nursing, Interdisciplinary Council on Peripheral Vascular Disease. Definition and evaluation of transient ischemic attack: a scientific statement for healthcare professionals from the American Heart Association/American Stroke Association Stroke Council; Council on Cardiovascular Surgery and Anesthesia; Council on Cardiovascular Radiology and Intervention; Council on Cardiovascular Nursing; and the Interdisciplinary Council on Peripheral Vascular Disease. The American Academy of Neurology affirms the value of this statement as an educational tool for neurologists. Stroke 2009; 40: 2276–2293

Symptome können sein:

Halbseitige Lähmung, sogenannte Hemiplegie oder Hemiparese
Spastiken
Sprach- und Sprechstörungen
Verlust von Bewegungsvorstellung
Verlust von Wahrnehmung der betroffenen Seite, oder
Verlust von Sinneswahrnehmungen
Gestörtes Gangbild
Gestörte Bewegungsabläufe

Ziele in der Therapie:

– Erhalt oder Wiederherstellung einer bestmöglichen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit
– Bewältigung des beruflichen und häuslichen Alltags
– Verbesserung von Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer und Koordination
– Erlernen von Kompensationsstrategien
– Schmerzreduktion
– Verbesserung von Sinneswahrnehmungen
– Vermeidung von Folgeschäden
– Gangtraining, Stütztraining, Transfertraining

Maßnahmen in der Physiotherapie:

– PNF
– Bobath
– KG
– funktionelles Training mit und ohne Gerät
– Robotikgestütztes Training mit Andago, Lokomat, Armeo
– ET (Elektrotherapie)
– Galileo Training

Maßnahmen in der Ergotherapie:

– MFB Motorisch funktionelle Behandlung
– SMB Sensomotorisch funktionelle Behandlung

Verletzungen des Rückenmarks

Begriffe:

⦁ Plegie – komplette Querschnittslähmung
⦁ Parese – inkomplette Querschnittslähmung
⦁ Paraparese / -plegie – Querschnittslähmung der Beine
d.h. die Schädigung liegt im Bereich der Brustwirbelsäule oder darunter („tiefer Querschnitt“)
⦁ Tetraparese / -plegie – Querschnittslähmung der Arme und Beine
d.h. die Schädigung liegt im Bereich der Halswirbelsäule („hoher Querschnitt“)

Unter einer Querschnittslähmung versteht man eine komplette oder inkomplette
Durchtrennung der Nervenbahnen im Rückenmark.

Symptome

Die Durchtrennung des Rückenmarks führt zu Ausfällen von Körperfunktionen,
die von den unter der Schädigung liegenden Bereichen der Wirbelsäule gesteuert werden,
da die Verbindung zum Gehirn getrennt worden ist.

Wie sich eine Querschnittslähmung äußert, hängt also von der Höhe der Verletzung ab. Das Rückenmark ist in verschiedene Segmente unterteilt, wobei jedes Segment für die Steuerung bestimmter Muskelgruppen und Organfunktionen verantwortlich ist.

Bei einer inkompletten Lähmung bleiben motorische oder sensible Funktionen zum Teil erhalten, bei kompletten Lähmungen sind diese jedoch vollständig verloren gegangen.

Lähmungen

⦁ Spastik (erhöhte Eigenspannung der ⦁ Skelettmuskulatur)
Sensibilitätsstörungen (z.B. veränderte Temperatur- und Berührungsempfindlichkeit)
⦁ verändertes bis ⦁ fehlendes Schmerzempfinden
⦁ Blasen- und Darmentleerungsstörungen

Definition nach Deutscher Gesellschaft für Neurologie:

„Querschnittlähmungen sind Folge von Schädigungen des Rückenmarks oder der Cauda equina traumatischer und nicht traumatischer (z. B. vaskulär, entzündlich, metabolisch, neoplastisch) Ursache mit akutem oder chronisch-progredientem Auftreten. Die neurologischen Symptome (Schmerzsymptome gehören zu den häufigsten Frühzeichen) und Ausfälle betreffen isoliert oder kombiniert motorische, sensible und autonome Funktionen. Die Folge sind motorische (initial schlaffe, dann spastische Para- bzw. Tetraplegie bei Rückenmarkläsion, schlaffe Paraparese bei Kaudaläsion), sensible (spinales sensibles Niveau mit darunter gelegener Hyp- bzw. Anästhesie und Hyp- bzw. Analgesie) und autonome Funktionsstörungen (neurogene Blasen-, Darm- und Sexualfunktionsstörung sowie Herz-Kreislauf-Dysregulation). Unterhalb der Rückenmarkläsion kommt es daher zu komplexen klinischen Ausfallssyndromen. Die Schwere der Ausfälle hängt von der Höhe, Komplettheit und Akuität der Rückenmarkläsion ab.“
https://www.dgn.org/leitlinien/2412-ll-71-2012-querschnittlaehmung#definition Stand: 17.03.2020, 08:40

Ursachen

⦁ Verletzung des Rückenmarks durch ein Trauma (Wirbelkörperbruch)
⦁ Tumor oder Metastasen im Rückenmark
⦁ Infektion oder Entzündung des Rückenmarks
⦁ spinaler Infarkt (Mangeldurchblutung des Rückenmarks durch Verschluss der Gefäße)
⦁ Multiple Sklerose
⦁ iatrogen (als Komplikation einer Wirbelsäulenoperation)

Ziele in der Physiotherapie:

Das Ziel der physiotherapeutischen Behandlung ist es Patienten einen bestmöglichen Umgang mit den vielfältigen Begleiterscheinungen einer Querschnittslähmung zu vermitteln um eine größtmögliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit im Alltag zu erzielen. Die genauen Therapieziele sind dann davon abhängig, welches individuelle Ziel der Patient für sich selber hat, welche Form der Querschnittslähmung vorliegt und in welcher Rehabilitationsphase sich der Patient befindet.
Konkrete Ziele können sein:

⦁ Erhaltung und Verbesserung motorischer Fähigkeiten
⦁ Erhalt und Verbesserung der Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer und Koordination
⦁ Vermeidung von Fehlhaltungen und Fehlbelastungen
⦁ Rumpfstabilisation (Sitzbalance)
⦁ Verbesserung von Restfunktionen in den betroffenen Extremitäten
⦁ Stand- und Gangtraining (Stehtrainer, Lokomat, Andago, Easy Walker)
⦁ Beckenbodentraining
⦁ Atemtherapie um die Atemtätigkeit zu erhalten und damit Atemwegserkrankungen vorbeugen
Verhinderung von Gelenksversteifungen und Muskelverkürzungen (Kontrakturprophylaxe)
⦁ Schmerzlinderung
⦁ Sensibilitätstraining
⦁ Transfertraining
⦁ Wie komme ich von der Rückenlage in die Seitlage und weiter in den Sitz am Bett?
⦁ Wie bewältige ich den Wechsel auf einen Duschstuhl oder ins Auto?
⦁ Wie komme ich vom Rollstuhl auf den Boden und wieder zurück?
⦁ Rollstuhlmobilitätstraining
⦁ Wie gehe ich mit meinem Rollstuhl um?
⦁ Wie überwinde ich Hindernisse (z.B. Bordsteine, Treppen, Rampen, Pflastersteine)?
⦁ Wie bewege ich mich im Straßenverkehr (z.B. öffentlicher Nahverkehr)?

Maßnahmen in der Physiotherapie:

– PNF
– Bobath
– KG
– ET
– MT
– Lokomat, Andago
– Rollstuhltraining, Mobilitätstraining

Maßnahmen in der Ergotherapie:

– MFB Motorisch funktionelle Behandlung

– SMB Sensomotorisch perzeptive Behandlung

Ziele in der Ergotherapie:

Die Ziele der ergotherapeutischen Behandlungen unterscheiden sich nicht von denen der Physiotherapie, vielmehr greifen beide Therapieformen ineinander und ergänzen sich in unserem interdisziplinären Team. Liegt jedoch eine Tetraparese vor, kommen neue Behandlungsziele dazu, die vorrangig Schwerpunkt der Ergotherapie sind:

⦁ Erhaltung und Verbesserung der Grob- und Feinmotorik der Oberen Extremität
⦁ Training der Aktivitäten des täglichen Lebens
⦁ Schreibtraining (Wiedererlangen der Schreibfähigkeit)
⦁ Essenstraining (Besteck halten, Hand-Mund-Koordination)
⦁ Anzieh- und Waschtraining (Erlernen von Kompensationsmechanismen zur Bewältigung des Waschens und Anziehens)
⦁ Training mit entsprechenden Hilfsmitteln

2. Erkrankungen des peripheren Nervensystems

Polyneuropathien (PNP)

„Polyneuropathien (PNP) (6–9) sind generalisierte Erkrankungen des peripheren Nervensystems (PNS). Zum PNS gehören alle außerhalb des Zentralnervensystems liegenden Teile der motorischen, sensiblen und autonomen Nerven mit ihren Schwannzellen und ganglionären Satellitenzellen, ihren bindegewebigen Hüllstrukturen (Peri- und Epineurium) sowie den sie versorgenden Blut- und Lymphgefäßen.“
https://www.dgn.org/leitlinien/3754-ll-030-067-diagnostik-bei-polyneuropathien-2019#definition Zugriff: 19.03.2020, 08:30s

Polyneuropathien (PNP) sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems (PNS), zu dem alle außerhalb des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) liegende Teile des Nervensystems gehören. Diese teilen sich auf in motorische Nerven (Bewegung), sensible Nerven (Hautempfindlichkeit, Berührungsempfindlichkeit) und autonome Nerven (unwillkürliches Nervensystem: Eingeweide, lebenswichtige Funktionen).
Unter Polyneuropathien sammeln sich verschiedene Erkrankungen, die vorwiegend sensible Reiz- und Ausfallerscheinungen zeigen, seltener auch motorische Reiz- und Ausfallerscheinungen.

Beschwerden können sein:

– Kribbeln, Ameisen laufen
– Wärme- und Kältemissempfindungen
– Stechen, elektrisieren, Pelzigkeit- und Taubheitsgefühle
– Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, Muskelzucken (Faszikulationen)

Ziele in der Therapie:

– Sensibilität und Wahrnehmung verbessern
– Tiefensensibilität verbessern
– Entspannungsfähigkeit der Muskeln zurückerlangen
– Ausgleich muskulärer Dysbalancen, bedeutet: Kräftigung der geschwächten
Muskulatur und Entspannung der verspannten Muskulatur
– Schmerzlinderung
– Stoffwechselanregung und Verbesserung der Durchblutung
– Verbesserung des Gleichgewichts

Maßnahmen in der Physiotherapie

⦁ PNF Propriozeptive neuromuskuläre faszilitation
⦁ KG Krankengymnastik
⦁ Bobath
⦁ ET Elektrotherapie
⦁ Reflexzonenmassage

Maßnahmen in der Ergotherapie:

⦁ SMB Sensomotorisch perzeptive Behandlung
⦁ MFB Motorisch funktionelle Behandlung

– Gleichgewichts Übungen und Gangschulung auf verschiedenen Untergründen
– Sensibilitätsschulungen mit
⦁ Bürstungen, Streichungen, Klopfungen
⦁ 2 Punkte Diskrimination
⦁ Triggerstab
⦁ Warm- und Kaltreizen

3. Degenerative Erkrankungen des Nervensystems

ALS Amyotrophe Lateralsklerose

„Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist im 19. Jahrhundert als ein charakteristisches klinisches Syndrom definiert worden, das neuropathologisch traditionell durch eine Läsion des kortikospinalen Trakts, der Vorderhornzellen und der bulbären motorischen Hirnnervenkerne definiert wird. Dieses Bild ist kürzlich in Teilen revidiert und differenziert worden (Brettschneider et al., 2013, Braak et al. 2013). Klinisch finden sich fokal beginnende amyotrophe Paresen und Zeichen der Läsion der Pyramidenbahn, die im Verlauf generalisieren und nach 3–5 Jahren in die respiratorische Insuffizienz führen.“
https://www.dgn.org/leitlinien/3012-ll-18-ll-amyotrophe-lateralsklerose-motoneuronerkrankungen#definitionundklassifikation Stand: 19.03.2020, 12:36

Braak H, Brettschneider J, Ludolph AC, Lee VM, Trojanowski JQ, Del Tredici K. Amyotrophic lateral sclerosis–a model of corticofugal axonal spread. Nat Rev Neurol. 2013;9(12):708–14.

Symptome:

Alle Symptome können in unterschiedlicher Ausprägung in einer oder mehrerer Körperregionen auftreten.
– Unterschiedlich fortschreitende Einschränkungen
– Generalisierte Faszikulationen = Muskelzuckungen
– Muskelkrämpfe
– Fatigue
– Spastik
– Angst
– Möglich: Sensibilitätsstörungen und Schmerzen
– Mündung in chronischer respiratorischer Insuffizienz

Aufklärung des Patienten:

Nach Diagnosestellung durch einen Neurologen ist die frühe Aufklärung des Patienten und seiner Angehörigen notwendig. Prognosen sind schwer zu treffen, da es neben der klassischen ALS verschiedene Subformen mit günstigerem Verlauf gibt, und es zu einem unerwarteten Verlauf kommen kann („Stillstand“, „Besserung“), oder zum Auftreten untypischer Symptome.

Ziele in der Therapie:

Erstes Ziel in der Therapie ist es die Lebensqualität des Patienten zu erhalten.
Je nach Patient und je nach Symptomatik werden Physio- und Ergotherapie angepasst. Aufgelistet sind mögliche Anwendungen bei diesem weitgefächerten Krankheits- und Symptombild:

Maßnahmen in der Physiotherapie:

– Krankengymnastik
– PNF
– Atemtherapie
– Wärmeanwendungen
– KMT

Maßnahmen in der Ergotherapie:

– MFB Motorisch funktionelle Behandlung
Feinmotorik und Grobmotorik Training, sowie Entspannung
– PFB Psychisch funktionelle Behandlung

Morbus Parkinson

Für jede Bewegung, die wir ausführen wollen, werden Nervenimpulse vom Hirn an die Muskulatur gesendet, dafür muss der chemischen Botenstoff Dopamin freigesetzt werden damit auch in der in Folge geschalteten Nervenzelle ein Reiz ausgelöst wird um schlussendlich am Zielorgan, in diesem Fall der Muskulatur eine Reaktion auszulösen.
Das dafür benötigte Dopamin wird in einem Hirnareal gebildet welches man Substantia Nigra nennt, die beim Morbus Parkinson nach und nach ihre Funktion verlieren. Dadurch fehlt Dopamin und die Bewegungshemmenden Substanzen sind in der „Überzahl“ was zu einem Ungleichgewicht und zu den für Parkinson typische Bewegungsstörungen und motorischen Beschwerden führt. Anfangs kann der Körper den zunehmenden Verlust an Dopamin noch ausgleichen, so dass es mehrere Jahre dauern kann, bis die ersten Beschwerden auftreten.

Die häufigste Parkinson-Form ist der idiopathische Parkinson. Die Bezeichnung rührt daher, da unklar (idiopathisch) ist, warum die Nervenzellen absterben. Zudem gibt es sekundäre Parkinson Formen, die Beispielsweise aus einer anderen vorhergehenden Erkrankung mit Beteiligung der Substantia Nigra einhergeht.Moderne Medikamenten können bei jeder Parkinson Form die beschriebenen Abbau-Prozesse im Gehirn gut ausgleichen und hinauszögern aber leider nicht stoppen oder verhindern. Deswegen ist eine Kombination von medikamentöser und nichtmedikamentöser Therapie in fast jedem Fall sinnvoll.Morbus Parkinson ist dabei vielschichtig mit vier typischen Hauptbeschwerden, welche im Schweregrad allerdings immer individuell unterschiedlich stark auftreten.

Bradykinese:

Eine Verlangsamung in den Bewegungsabläufen, Unbeweglichkeit. Natürliche Alltagsbewegungen dauern länger, können blockiert (Akinese) und insgesamt eingeschränkt sein. Davon können alle Körperregionen betroffen sein.

Rogor:

Muskelsteifigkeit, wird auch Zahnradphänomen genannt. Sie betrifft vor allem die Beugemuskeln und bewirkt eine zunehmende Steifigkeit in Bewegungsausführungen. Muskelsteifigkeit ist auch ein Grund für die bei Parkinson typische vorgebeugte Körperhaltung.

Tremor:

Ein Zittern, das überwiegend die Hände betrifft, tritt beim Parkinson als Ruhe Tremor auf, also nicht unter Bewegungen oder im Schlaf.

Posturale Instabilität:

Störung der Halte- und Stellreflexe, damit nimmt die Fähigkeit ab, den Körper auszubalancieren. Die damit verbundenen Gang- und Haltungsstörungen zeigen sich im Stehen und insbesondere bei Tempo- und Richtungswechseln, womit sich die Sturzgefahr erhöht.

Zusätzliche Symptome können sein:

– Depressionen, Angstzustände
– Vergesslichkeit
– Schlafstörungen
– Kreislaufprobleme
– Obstipation
– Missempfindungen der Sensibilität
– Sehstörungen
– Übermäßiges Schwitzen
– Hypersalivation (Vermehrter Speichelfluss)

Ziele der Therapie

– Selbstständigkeit im Alter erhalten
– Beweglichkeit erhalten
– Sturzprophylaxe
– Sensibilitätsschulung
– Entspannungsfähigkeit verbessern
– Detonisierung/ Entspannung der verspannten Muskulatur

Maßnahmen in der Physiotherapie
– KG
– KGG
– KMT
– Fango

Maßnahmen in der Ergotherapie
⦁ SMB Sensomotorisch perzeptive Behandlung
⦁ MFB Motorisch funktionelle Behandlung
– Training mit Lokomat und Andago

4. Neuromuskuläre Erkrankungen

Myotone Muskelerkrankungen
„Eine myotone Muskelerkrankung ist charakterisiert durch eine gestörte Muskelrelaxation (Myotonie). Periodische Paralysen sind charakterisiert durch Lähmungsattacken, die auf einer transienten Unerregbarkeit der Skelettmuskelmembran beruhen.“
https://www.dgn.org/leitlinien/3457-030-055-myotone-dystrophien-nicht-dystrophe-myotonien-und-periodische-paralysen-2017#definition Stand: 19.03.2020, 12:48

Myotone Dystrophien
„Die myotonen Dystrophien Typ 1 (DM1) und Typ 2 (DM2) sind zusammengefasst die häufigsten Muskelerkrankungen des Erwachsenenalters in Europa (Prävalenz ca. 5.5/100.000).[…]“
https://www.dgn.org/leitlinien/3457-030-055-myotone-dystrophien-nicht-dystrophe-myotonien-und-periodische-paralysen-2017#definition Stand: 19.03.2020, 12:50
Hauptsymptome sind Muskelschwächen, die v.a. in der distalen, dh. Unteren Körperhälfte beginnen (Typ I) bzw. proxymal, also in der oberen Körperhälfte beginnen (Typ II).
Hinzukommen Myotonien (s.o.), Katarakt (grauer Star, Augenerkrankung), sowie eine potentiell Lebensbedrohliche Herzmuskelerkrankung.

Nicht Dystrophe Myotonien
Eine vererbliche (hereditäre) Erkrankung der Muskulatur, genauer der Natrium- oder Chloridkanäle, die zu einer erhöhte oder heruntergesetzte Erregbarkeit/Ansprechbarkeit der muskulären Zellmembranen sorgen.

Ziele in der Physiotherapie:
– Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erhalten
– Entgegenwirken der Muskelschwäche durch regelmäßiges Training
– Erhalt der Muskelkraft
– Einsteifungen s.g. Kontrakturen vermeiden

Hereditäre spastische Paraplegie HSP

„Die Gruppe der hereditären spastischen Paraplegien (SPG) umfasst eine Reihe heterogener neurologischer Erkrankungen, die vor allem durch eine progrediente Spastik und Lähmung der Beine gekennzeichnet sind. Die autosomal-dominant vererbten Formen SPG Typ 3 und Typ 4 verlaufen klinisch sehr ähnlich, so dass sie häufig Differentialdiagnosen darstellen. Die Symptome beginnen meist bereits in der Kindheit und sind im weiteren Verlauf langsam progredient, nur sehr wenige Patienten werden rollstuhlpflichtig. Der klinische Verlauf ist jedoch auch bei Patienten mit der gleichen Form der SPG sehr variabel. Zusätzlich zu der spastischen Lähmung der Beine können bei diesen Formen ein gestörtes Vibrationsempfinden sowie bei der SPG3 eine Hyperaktivität der Blase und beim Typ 4 eine Sphinkterschwäche auftreten. Bei der SPG4 wird zudem diskutiert, ob eine milde geistige Beeinträchtigung, die bei wenigen Familien beschrieben ist, in Zusammenhang mit der Erkrankung steht.
Die autosomal-rezessiv vererbte SPG Typ 7 beginnt meist im Erwachsenenalter, in Einzelfällen ist jedoch auch ein Beginn im Kindesalter (im frühesten Fall ab dem 11. Lebensjahr) beschrieben. Kennzeichnend sind in erster Linie eine beidseitige Schwäche und Spastik der Beine verbunden mit einem verminderten Vibrationsempfinden. Die Erkrankung verläuft progredient, in einzelnen Fällen kann es auch zu einem sehr raschen Fortschreiten der Symptomatik kommen. Der klinische Verlauf ist jedoch sehr variabel. Bei einigen Patienten findet sich zusätzlich zu der spastischen Lähmung der Beine eine Abblassung der Sehnervenpapille. Zudem können weitere Symptome wie eine Ataxie, eine Hyperreflexie der Arme, Blasenstörungen, Schluck- und Sprachstörungen, Hörstörungen, Augenbewegungsstörungen, eine Skoliose sowie eine axonale motorische und sensorische Neuropathie auftreten.“
Zitiert aus: Website Medizinisch Genetisches Zentrum München
https://www.mgz-muenchen.de/erkrankungen/diagnose/spastische-paraparese.html
Zugriff 14.05.2020, 11:15 Uhr

Ziele in der Therapie:
⦁ Erhalt von Kraft und Ausdauer
⦁ Verringerung von Spastiken
⦁ Beckenbodentraining
⦁ Ausgleich muskulärer Dysbalancen
⦁ Behandlung der Skoliose z.B. nach Katharina Schroth
⦁ Schulung von Vibrationsempfinden und Tiefensensibilität
⦁ Schmerzlinderung
⦁ Erhalt von Gang und Mobilität durch Gangschulen

Maßnahmen in der Physiotherapie:
⦁ KG
⦁ KGG
⦁ Bobath
⦁ PNF
⦁ ET
⦁ Wärmeanwendungen wie z.B. Fango
⦁ NKT
⦁ Training auf dem Galileo

Maßnahmen in der Ergotherapie:
⦁ SMB Sensomotorisch perzeptive Behandlung
⦁ MFB Motorisch funktionelle Behandlung
– Training mit Lokomat und Andago

FSHD Faszioscapulohumeraledystrophie
Die fazioskapulohumerale Muskeldystrophie ist die dritthäufigste Muskeldystrophie nach der Muskeldystrophie Duchenne und der Myotonen Dystrophie (Curschmann, Steinert). Einer von 20.000 Einwohnern in Deutschland ist von dieser Erkrankung betroffen. Es ist eine mit höchst unterschiedlicher Ausprägung der Symptomatik auftretende Erkrankung.
Die fazioskapulohumerale Muskeldystrophie wurde erstmals von Guillaume Benjamin Armand Duchenne de Boulogne im Jahre 1868 beschrieben, ausführlich wurden die Symptome im Jahre 1884 von Louis Théophile Joseph Landouzy und Joseph Jules Dejerine zusammengetragen in der Arbeit „De la myopathie atrophique progressive (myopathie hèréditaire débutant, dan l’enfance, par la face, sans altération du système nerveux). Deshalb werden auch die Eigennamen von Landouzy und Dejerine oft mit der Erkrankung zusammen genannt (fazioskapulohumerale Muskeldystrophie (Landouzy, Dejerine)).
https://www.dgm.org/diagnosegruppe/fshd/krankheitsbild, Zugriff 04.06.2020, 09:48

Die fazioskapulohumerale Muskeldystrophie ist in ihrer Ausprägung und im Beginn der Beschwerdesymptomatik sehr variabel. Sie kann im Säuglingsalter oder auch erst im höheren Lebensalter beginnen, typischerweise aber bei Jugendlichen oder im jungen Erwachsenenalter. Die zugrunde liegende Genveränderung führt im Alter von 30 Jahren bei etwa 95% der Männer, aber nur 69% der Frauen zu Krankheitserscheinungen. Bei Männern tritt die Erkrankung früher und ausgeprägter auf als bei Frauen. Die Ursache der Geschlechterdifferenz ist nicht bekannt.
Typischerweise ist zunächst die Muskulatur des Gesichts („fazio“) und der Schultern („skapulo“) betroffen, gefolgt von der Fußhebermuskulatur und der Hüftmuskulatur. Dabei ist das Ausmaß sehr unterschiedlich, es können über Jahre kaum fortschreitende Schwächen der Gesichtsmuskulatur vorliegen bis hin zu schweren Lähmungen der Körpermuskulatur. Besonders charakteristisch ist eine Asymmetrie der Schwächen, sowohl im Gesichtsbereich wie auch im Schultergürtel sind sie meist seitendifferent ausgeprägt. Die Schwächen nehmen typischerweise zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr langsam zu. Etwa 10 bis 20% der Patienten sind im Verlauf auf den Rollstuhl angewiesen, zumeist nur für längere Wegstrecken. Die Lebenserwartung ist in der Regel normal.
Die Patienten merken als Folge der Erkrankung, dass das Arbeiten über dem Kopf erschwert oder gar nicht möglich ist, beispielsweise beim Aufhängen von Wäsche. Auch das Aufrichten aus der Hocke oder das Steigen auf einen Stuhl ist oft nur mit Mühe oder gar nicht möglich. Kontrakturen (Verminderung des Bewegungsumfangs) der Gelenke können vorkommen, sind aber nicht schwerer ausgeprägt. Die Schwäche der Gesichtsmuskulatur wird auch als Facies myopathica bezeichnet. Sie betrifft vor allem die die Augen und den Mund umgebenden Muskeln, so dass beispielsweise Augenschluss und Pfeifen beeinträchtigt oder nicht möglich sind. Zungen-, Kau- und Schluckmuskulatur sind dagegen nicht betroffen.
Die Lähmungen der Schultermuskulatur führen typischerweise zu einer nicht ausreichenden Fixierung des Schulterblattes am Rumpf. Das Schulterblatt steht dadurch beim Heben des Armes vom Rumpf ab. Durch diese Instabilität, die als Scapula alata bezeichnet wird, ist die Armhebung erheblich vermindert. Der Delta-Muskel dagegen ist meist sehr gut ausgeprägt. Erst später im Verlauf ist auch die Oberarm-Muskulatur („humeral“) betroffen. Typischerweise ist die Atemmuskulatur bei der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie nicht beeinträchtigt.
Neben der Muskulatur können auch andere Systeme des Körpers von der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie betroffen sein. So liegen bei vielen Patienten Hörstörungen im Hochtonbereich vor, die aber oft nicht bemerkt werden. In sehr seltenen Fällen führen Veränderungen der Gefäße des Auges zu Sehstörungen, dies wurde bislang nur bei wenigen Familien beschrieben.
Wie bei anderen Muskeldystrophien wurde selten auch bei der fazio-skapulo-humeralen Muskeldystrophie eine Mitbeteiligung des Herzmuskels beschrieben, jedoch ist dies ungewöhnlich und muss eher an das Vorliegen einer anderen Muskelerkrankung denken lassen. In einer Studie von van Dijk und Mitarbeitern aus den Niederlanden wurde ein so genannter inkompletter Rechtsschenkelblock häufig beobachtet. Auswirkungen auf die Funktionen und Leistungsfähigkeit des Herzens ergeben sich dabei aber auch in dem Beobachtungszeitraum von 8 Jahren nicht. Bei sehr ausgeprägten Schäden des betroffenen Bereichs auf dem Chromsom 4 können auch epileptische Anfälle auftreten, dies ist aber ein sehr seltenes Symptom.
https://www.dgm.org/diagnosegruppe/fshd/krankheitsbild , 09:51, 04.06.2020

Ziele in der Therapie:
⦁ Funktionserhalt und -verbesserung
⦁ Schmerzlinderung
⦁ Herz-Kreislauf Training
⦁ Haltungsschulung
⦁ Hilfsmittelberatung und -beübung

Maßnahmen in der Physiotherapie:
⦁ Bobath
⦁ PNF
⦁ KG
⦁ Perkussionstherapie
⦁ KMT
⦁ Fußreflexzonenmassage
⦁ Fango

Maßnahmen in der Ergotherapie:
⦁ SMB Sensomotorisch perzeptive Behandlung
⦁ MFB Motorisch funktionelle Behandlung
– Training mit Lokomat, Armeo und Andago

5. Entzündliche Erkrankungen

Guillain-Barré-Syndrom (GBS)

Definition
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS), auch Chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP),
ist eine entzündliche Erkrankung der Nerven, meist nach Infektionen auftretend, die vorwiegend an Händen oder Füßen mit Lähmungserscheinungen und Sensibilitätsstörungen beginnt. Diese Symptome breiten sich fortschreitend Richtung Körperstamm hin aus.
GBS ist eine Fehlreaktion des Immunsystems, bei der die Autoantikörper die isolierende Myelinschicht der Nerven angreift und dabei zu einer Entzündung führt, soweit die gängigste Theorie.
In den meisten Fällen bilden sich die Symptome so zurück, wie sie aufgetreten sind.
Die CIDP ist ein eigenständiges Krankheitsbild, das vermehrt in älterer Literatur als chronische Form des GBS gehandelt wird.

Therapie des GBS:
Entsprechend der auftretenden Symptome Anbahnung einer physiologischen Funktionalität der Extremitäten wie:

⦁ Gangschule
⦁ Transfertraining
⦁ Grob- und Feinmotoriktraining
⦁ Sensibilitätsschulung
⦁ Rückgewinnung von Kraft durch Krankengymnastik und Krankengymnastik am Gerät
⦁ Atemtherapie

Maßnahmen in der Physiotherapie
⦁ KG
⦁ KGG
⦁ AT
⦁ Bobath
⦁ PNF
⦁ Beckenbodentraining

Maßnahmen in der Ergotherapie
– MFB Motorisch funktionelle Behandlung
– SMB Sensomotorisch perzeptive Behandlung

Multiple Sklerose (MS)
Auch Enzephalomyelitis disseminata (ED) genannt, ist die Bezeichnung für im Gehirn und Rückenmark verstreut auftretende Entzündungen.

Das Gehirn ist eine Art Schaltzentrale, in der Signale über das Rückenmark zum Körper gesendet oder von dort empfangen werden; diese werden von verschiedenen Nervenfasern geleitet, die ähnlich wie elektrische Kabel von einer Schutz- bzw. Isolierschicht umgeben sind. Diese Schutzschicht besteht aus einem Stoff, der Myelin genannt wird.
Entsteht ein Entzündungsherd im Bereich dieser Schutzschicht, können die Botschaften nicht so wirkungsvoll übertragen werden: MS-Erkrankte können dann zum Beispiel Missempfindungen verspüren, vermehrt stolpern oder Schwierigkeiten beim Sehen bekommen.
Das rasche Auftreten von einem oder mehreren (=multiplen) Entzündungsherden mit entsprechenden körperlichen Störungen und Ausfällen nennt man Schub. Ein Schub hat nichts mit einem plötzlichen Anfall zu tun – meist entwickelt er sich innerhalb von Stunden oder Tagen und klingt nach einiger Zeit wieder ab. Allerdings muss nicht jedes Symptom, jede Beschwerde einen Schub darstellen. Nach dem Schub kann eine Rückkehr zur normalen Funktion eintreten oder das entzündete Nervengewebe vernarbt (sklerosiert).

Quelle: Website der Dmsg (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.) Zugriff: 22.04. 12:48
https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-infos/was-ist-ms/

Grob kann die MS in drei Verlaufstypen eingeteilt werden:
⦁ Schubförmiger Verlauf der MS
Klassische Schübe, oft bei Krankheitsbeginn zu beobachten, kann sich nach 10-15 Jahren verändern zur:

⦁ Sekundär-chronisch progrediente MS
Nach klassischem, schubförmigen Verlauf: langsam fortschreitender
Krankheitsverlauf, ohne klare Schübe

⦁ Primär-chronisch progrediente MS
Die Symptome nehmen von Beginn der Erkrankung kontinuierlich zu, ohne klare Schübe.
Der Krankheitsverlauf stellt sich erst im Laufe der Zeit heraus und kann unmöglich von Patient zu Patient vorhergesehen werden. Gespräche mit den behandelnden Ärzten sind unerlässlich um sich ein realitätsnahes Bild der Erkrankung einzuholen und die Unsicherheit bei Patient und Angehörigem zu überwinden.

Symptome können sein:

Motorisch:
⦁ Lähmungen (Plegie/Parese)
⦁ Gangunsicherheiten
⦁ Unsicherheit beim Greifen
⦁ Beinbetonte Spastik
⦁ Blasenstörungen bis hin zur Inkontinenz

Sensibel:
⦁ Kribbeln
⦁ Taubheitsgefühl
⦁ Schmerzhafte Missempfindungen

Auftreten können:
⦁ Sehstörungen
⦁ Schwindel
⦁ Fatigue – abnorme, vorzeitige Erschöpfung/ Müdigkeit
⦁ Kognitive Störungen
⦁ Einschränkung der Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und Konzentration
⦁ Depressive Verstimmungen und Depressionen
⦁ Schmerzen

Therapie der MS
Die Therapie der MS ist vor allem Symptomatisch und verändert sich je nach Verfassung des Patienten und je nach Allgemeinzustand. Unter einem Schub kann die Therapie sich vor allem auf die Abmilderung der Symptome beschränken und außerhalb eines Schubes wird präventiv und aktiv therapiert um den Allgemeinzustand zu verbessern oder wenigstens zu halten.

⦁ Verbesserung von Stabilität und Kraft
⦁ Verbesserung des Gangbildes durch Gangschule und Beinachsentraining
⦁ Sturzprophylaxe
⦁ Greif- und Krafttraining
⦁ Beckenboden Training als Einzel- oder Gruppenbehandlung
⦁ Ausgleich muskulärer Dysbalancen
⦁ Sensibilitätsschulungen

Maßnahmen in der Therapie:

Physiotherapie:

⦁ KG Krankengymnastik
⦁ Bobath Therapie
⦁ PNF Propriozeptive neuromuskuläre faszilitation
⦁ AT Atemtherapie
⦁ KGG Krankengymnastik am Gerät
⦁ Training mit Lokomat und Andago
⦁ Beckenbodengymnastik

Ergotherapie:
⦁ SMB Sensomotorisch perzeptive Behandlung
⦁ MFB Motorisch funktionelle Behandlung
⦁ Training mit Lokomat, Armeo und Andago

Therapieinhalte der Ergo- und Physiotherapie:

Neurologische Therapie Magdeburg - Gangtherapie im Lokomat Nanos

Patient bei der Gangtherapie im Lokomat Nanos

Neurologische Therapie Magdeburg - Armeo Spring

Patientin bei der Therapie mit dem Armeo Spring